Portraits und Interviews

Mit Mirka Tiede vom SWR sprach ich im Botanischen Garten in Karlsruhe bei Kälte und Nässe. Das Interview sollte eigentlich drinnen in der Wärme bei den Orchideen geführt werden, aber es tropfte uns auf den Kopf.
Es waren spannende Fragen und eine herzliche Begegnung:

Elfi Conrad war ein leben lang Autorin und hat mit fast 80 Jahren einen Bestseller veröffentlicht. (Foto: SWR, Mirka Tiede)

Roman „Schneeflocken wie Feuer“

Autorin Elfi Conrad aus Karlsruhe erobert mit fast 80 Jahren die Bestsellerlisten

Stand 9.12.2023, 14:43 Uhr Mirka Tiede

Elfi Conrad aus Karlsruhe ist leidenschaftliche Autorin. Seit Jahrzehnten schreibt sie. Doch erst mit fast 80 Jahren schafft sie mit ihrem Roman „Schneeflocken wie Feuer“ den Durchbruch.

Mehrere Bücher und Jahre hat es gedauert, bis für Autorin Elfi Conrad aus Karlsruhe ein großer Wunsch in Erfüllung ging. Mit fast 80 Jahren hat sie nun den Durchbruch mit einem ihrer Romane geschafft. Wahrscheinlich auch dank der Social Media Plattform X (früher Twitter).

Ihr Roman spricht vor allem junge Menschen an

Obwohl ihr 80. Geburtstag vor der Tür steht, spricht sie mit ihrem Roman „Schneeflocken wie Feuer“ vor allem junge Menschen an. Neben ihrer bisherigen Tätigkeit als Lehrerin und Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe hat sie unter anderem auch durch ihre Tochter und ihre Enkelin Kontakt mit der jüngeren Generation.
Aber auch die Sozialen Medien helfen ihr dabei. „Neuerdings bin ich viel auf Twitter unterwegs. Das ist so der Hauptkontakt zur Außenwelt, denn ich sitze meistens in meinem Kämmerlein und schreibe. Da kriegt man halt ganz viel mit.“

Elfi Conrad darüber, warum ihr Roman vor allem die Jugend anspricht:

Autorin auf Twitter entdeckt worden

Die Social Media Plattform X war auch der Grund, warum die langjährige Autorin doch noch entdeckt wurde. Nachdem sie viele Absagen von Verlegern erhalten hatte und ihre Romane auch im Internet selbst veröffentlichte, versuchte sie dort ihr Glück. Auf X lasen Autoren wie Martin Lechner oder Bodo Morshäuser, aber auch die Schriftstellerin Sarah Raich ihre Romane. Elfi Conrad veröffenlichte damals noch unter ihrem Pseudonym „Phil Mira“.

Da kommt ganz viel zusammen, auch Glück.

Elfi Conrad, Bestsellerautorin mit fast 80 Jahren

Sarah Raich war so begeistert von der Autorin, dass sie die Verlegerin Nikola Richter auf ihre Entdeckung aufmerksam machte. „Insofern war es auch Glück, dass Sarah gerade Zeit hatte, denn ich glaube, sonst wäre auch die Sache nicht in die Öffentlichkeit gekommen und noch in einer Schublade gelandet“, erzählt Conrad.
Elfi Conrad hat ihr das Manuskript von „Schneeflocken wie Feuer“ geschickt, was dann als Roman veröffentlicht wurde. Mit dem Buch machte Conrad sich einen Namen: Die Autorin landete unter anderem auf der SWR-Bestenliste und war NDR Buch des Monats.

Elfi Conrad: Stil findet erst jetzt Anklang

Ein weiterer Grund für den späten Erfolg ist in den Augen der Schriftstellerin ihr Stil, der erst jetzt Anklang findet. „Ich schreibe nach den Ausdruckscodes der Sprachen, also der Musik, der Malerei, des Films. Zum Beispiel ist mir ganz wichtig, dass Szenen vorkommen, die lebendig sind, also nicht nur erzählend gearbeitet wird.“

Die Schriftstellerin sieht aber auch die Tendenz, dass zunehmend der weibliche Horizont in den Fokus gerät. „Wir sind ja alle durch männliche Literatur sozialisiert worden“, sagt Elfi Conrad.

Bestenliste 30 Kritiker*innen 10 Bücher 1 Liste (Foto: SWR)

SWR Bestenliste September“Schneeflocken wie Feuer“ von Elfi Conrad auf Platz 1 der SWR Bestenliste

„Schneeflocken wie Feuer“ persönlichster Roman

In „Schneeflocken wie Feuer“ geht es um die fast 80-jährige Dora, die sich während eines Klassentreffens an ihr 17-jähriges Ich erinnert. Die Schülerin lebt zu diesem Zeitpunkt im Nachkriegsdeutschland. Als junge Frau kämpft sie mit dem Rollenbild, das die Gesellschaft ihr auferlegen möchte. „Da hat sich das förmlich aufgedrängt, dass ich da meine eigene Geschichte aufnehme“, sagt die Autorin.

Das Buch „Schneeflocken wie Feuer“ ist für Elfi Conrad bisher das Persönlichste. „Es ist so, dass ich meine Biografie immer als Steinbruch benutze“, erzählt Elfi Conrad im Gespräch mit dem SWR. „Aber die anderen Romane sind natürlich sehr viel mehr erfunden.“

Die Autorin Elfi Conrad aus Karlsruhe als junge Frau beim Tanzen.  (Foto: Elfi Conrad)
Elfi Conrad als junge Frau beim Tanzen.

Im Ruhestand mehr Zeit zum Schreiben

Inzwischen ist Conrad im Ruhestand und kann sich voll und ganz auf das Schreiben konzentrieren. Denn neben dem Unterrichten ist ihre Leidenschaft viel zu kurz gekommen, sagt sie. Bisher habe sie hauptsächlich in den Ferien an ihren Werken gearbeitet, meist dann, wenn sie Aufsätze fertig korrigiert hatte oder in der Nacht.

Wenn ich so richtig im Flow bin, schreibe ich Tag und Nacht, bis es fertig ist.

Elfi Conrad, fast 80-jährige Autorin

Daneben kamen noch der Haushalt und ihre Tochter dazu. „Dann wird man total herausgerissen. Und dann passiert es oft, dass man nicht mehr reinkommt und das Alte liegen lässt.“ Auch nach „Schneeflocken wie Feuer“ bleibt Elfi Conrad dem Schreiben weiter treu. Momentan arbeitet sie sogar noch an zwei weiteren Romanen. Ein Leben ohne das Schreiben kann sich Elfi Conrad nicht mehr vorstellen.

Für die Zeitung Badische Neueste Nachrichten veröffentlichte Sibylle Kranich ein sehr persönliches Portrait von mir. Wir trafen uns in einem Café in Karlsruhe und sprachen zwei Stunden lang angeregt miteinander, was viel Spaß machte.

Karlsruhe

„Schneeflocken wie Feuer“

Bestseller mit 80: Karlsruher Schriftstellerin Elfi Conrad muss lange auf Erfolg warten

Elfi Conrad ist die literarische Entdeckung des Sommers. Ihr Roman „Schneeflocken wie Feuer“ überzeugt die Kritiker und erobert die Buchcharts. Darauf musste die in Karlsruhe lebende Schriftstellerin fast ein Leben lang warten.

Elfi Conrad arbeitete als Lehrerin in Karlsruhe und lehrte an der Pädagogischen Hochschule. Die Rolle der Frau, ihre Emanzipation und das Thema Gleichberechtigung greift die überzeugte Feministin in ihrem Roman auf. Foto: Andrea Fabry

von Sibylle Kranich

17. Okt. 2023  |  20:30 Uhr 4 Minuten vor 1 Stunde

krass, was da gerade passiert.“ Wenn Elfi Conrad ein bauchfreies Top trüge, ein Smartphone in der Hand hielte und sich beim Reden durch Tiktok-Reels oder Insta-Stories wischte, wäre ihre Wortwahl nicht weiter bemerkenswert. Junge Menschen reden so.

Krass aber, dass Elfi Conrad gar kein junger Mensch ist. Nicht mehr. Im kommenden Jahr feiert die in Karlsruhe lebende Schriftstellerin ihren 80. Geburtstag. Mit 79 gilt sie gerade als eine der heißesten literarischen Neuentdeckungen dieses Bücherherbstes.

Schriftstellerin erregt mit „Schneeflocken wie Feuer“ viel Aufmerksamkeit

„Schneeflocken wie Feuer“ heißt das Buch, mit dem die Autorin pünktlich zur Buchmesse viel Aufmerksamkeit erhält und großen Erfolge feiert. Elfi Conrad beschreibt darin vor allem ihre eigene Lebensgeschichte.

Stellvertretend für eine Generation von Frauen, die in den streng patriarchalen Strukturen der staubgrauen Nachkriegs-BRD aufwuchs. Heute sind die Frauen alt. Damals waren sie Teenager, die sich Freiheit wünschen und sie selber finden mussten. „Eine ganz bigotte Zeit war das“, sagt Elfi Conrad. „Einerseits sollten wir aussehen wie Brigitte Bardot, andererseits war Sex vor der Ehe ein absolutes Tabu.“

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der inzwischen 80-jährigen Protagonistin Dora. Wie Elfi wird sie 1944 geboren und wächst in einem kleinen Dorf im Harz auf. Von dort geht sie zum Studium nach Hamburg und später in eine andere deutsche Stadt.

Mit ihrem ersten Mann kommt Elfi Conrad nach Karlsruhe

Elfi Conrad kam nach Karlsruhe. Hier hat sie inzwischen den Großteil ihres Lebens verbracht. Mehr als fünf von acht Jahrzehnten. Aber ohnehin ist die 80 eine Zahl, die so gar nichts mit der zierlichen Person zu tun hat, die an diesem Nachmittag das Café in der Karlsruher Innenstadt betritt.

Zum Gespräch kommt sie in engen Jeans, dunklen Pumps und einer lässigen Bluse im grünen Leoparden-Print. Mit der Ballonkappe auf dem rabenschwarzen Haar erinnert die Schriftstellerin an eine dieser alterslosen Französinnen, deren Figur heute noch dieselbe ist wie 1968 auf den Barrikaden von Paris.

Brust raus, Bauch rein – heute lächelt Elfi Conrad über die Art und Weise wie sie sich als junge Frau in Szene setzte. Foto: Privat

Statt ins Paris der Simone de Beauvoir verschlug es Elfi Conrad Anfang der 70er-Jahre aber ausgerechnet in die badische Provinz. Den Wohnort konnte sie sich nicht aussuchen. Ihre Tochter war gerade geboren, als ihr Mann hier eine Anstellung erhielt. „Damals musste man noch heiraten, wenn man schwanger war. Als Ehefrau ging ich natürlich auch mit.“

Jahrzehntelang arbeitete sie hier als Lehrerin, absolvierte ein weiteres Studium und promovierte an der Pädagogischen Hochschule (PH), an der sie später auch unterrichtete. Trotz Trennung blieb Elfi Conrad in Karlsruhe und heiratete ihren zweiten Mann. „Inzwischen habe ich der Stadt gegenüber Heimatgefühle entwickelt“, sagt sie in ihrem vornehmen Hamburger Akzent.

Auf Twitter wurden die Leser aufmerksam

Ihr Roman, der vor wenigen Monaten in dem kleinen und wenig bekannten Verlag mikrotext erschien, eroberte die großen Feuilletons in Windeseile. Der Norddeutsche Rundfunk wählte die Erzählung zum Buch des Monats, der SWR zog nach. Selbst TV-Kritiker Denis Scheck hob den Daumen und empfahl Conrads Buch in seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ wärmstens. Es sei, so Scheck, „ein herausragender Roman über die Klassen- und Geschlechtergrenzen in der jungen Bundesrepublik“.

Das ist es auch, was Elfi Conrad so „krass“ findet. Die riesige Aufmerksamkeit, die ihrem Werk und ihrer Person jetzt plötzlich zuteil wird. „Schneeflocken wie Feuer“ ist nicht ihr erstes literarisches Werk. Es ist nur der erste Roman, der größere Verbreitung durch einen etablierten Verlag fand.

Ihre ersten drei Bücher gab sie unter dem Pseudonym Phil Mira im Eigenverlag heraus. Die Leserschaft blieb lange Zeit überschaubar. Auf Twitter (heute X) veröffentlichte die Autorin gelegentlich Auszüge daraus.

Ganz allmählich wurden andere auf sie aufmerksam und folgten ihr. Eine Followerin, selbst auch Schriftstellerin, war so angetan, dass sie ihrer Verlegerin die Texte ans Herz legte. So kam der Stein ins Rollen.

Fast alles habe ich ganz genau so erlebt.

Elfi Conrad
Schriftstellerin

Dass der Literaturbetrieb so funktioniert, hat die Autorin nicht weiter überrascht. Ob sich ein Buch durchsetzt oder nicht, sei eben keine Frage der Qualität. „Auch wenn das manche immer wieder behaupten.“ Viele Faktoren spielten eine Rolle. Gute Beziehungen, Glück „und immer noch das Geschlecht“, ist Elfi Conrad überzeugt.

Ein Schlüssel zum Verständnis der Mütter

Auch mit ihren bald 80 Jahren wird Elfi Conrad nicht müde, die immer noch bestehenden Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen anzuprangern. Ihre Jugend in den 60ern und die unendlich vielen empfunden und im Alltag erlebten Ungerechtigkeiten haben ihrer feministischen Einstellung den Weg bereitet. Doras Geschichte erklärt, wie es dazu kam. Für die Töchter und Enkelinnen dieser Frauen ist der Roman ein Schlüssel zum Verständnis ihrer Mütter und Großmütter.

„Fast alles habe ich ganz genau so erlebt“, sagt Elfi Conrad. Deutschlehrer, die junge Frauen schlechter benoten, weil sie die Haare offen tragen und davon sprechen, einen erfüllenden Beruf ergreifen zu wollen. Eltern, die, vom Krieg und den Entbehrungen traumatisiert, ihre Töchter vor allem gut verheiratet wissen möchten und eine Gesellschaft, die es Frauen bis Mitte der 70er-Jahre verbietet, ein eigenes Bankkonto zu eröffnen. Keine 50 Jahre ist es her.

Romanheldin Dora übt Rache an der patriarchalischen Gesellschaft

Im Buch rächt sich die 17-jährige Dora auf ihre eigene Weise an der patriarchalischen Gesellschaft ihrer Zeit. „Auch das ist in Teilen authentisch“, sagt Elfi Conrad. Im Rückblick schämt sich die gereifte Erzählerin für das, was sie ihrem Opfer angetan hat. Rachegelüste trieben einst auch die Autorin um. „Aber ich habe es nicht durchgezogen.“

Dass sie Teil jener Bewegung war, die den Frauen von heute in vielerlei Hinsicht den Weg bereitet hat, ist für Elfi Conrad keine Heldentat, mit der sie sich brüstet. „Wir haben auch viele Fehler gemacht“, urteilt sie selbstkritisch. Den Kampf für mehr Gleichberechtigung hat sie selbst als mühselig und manchmal einsam empfunden. „In den 70ern habe ich immerzu von Emanzipation gesprochen. Die Leute haben mich oft angeschaut, als sei ich nicht ganz normal.“

Elfi Conrad ist eine Feministin ohne Kampfanzug. Ihr Roman ist eine Botschaft, aber keine Mission. Ihre eigene Tochter ist Mitte 50, die Enkelin 14. Beide sind ein guter Gradmesser dafür, wie weit die Sache von damals gekommen ist. Es bleibe noch einiges zu tun, findet die Autorin. Ihr Rat an junge Frauen von heute? Elfi Conrad überlegt kurz, dann lächelt sie verschmitzt. „Geht im Winter nicht mit Nylons und Stöckelschuhen auf die Straße und helft einander.“