Schreiben

Dem Wesen des Menschen auf die Spur kommen, diesem Pendeln zwischen Pflicht und Neigung, zwischen Verantwortung und Begehren.

Erleben in Sprache gießen, bis Klang, Rhythmus und Bedeutung eine harmonische Verbindung eingehen.

Schreiben, das aus dem Leben hervorgeht:

Asiatische Länder.  Früher bin ich oft dorthin gereist, Indien, Thailand, Ägypten.  Eintauchen in weit entfernt liegende Kulturen, ein Rausch: andere Menschen, Düfte, Gerichte, Geräusche, die Kunst, die Tempel, die antiken Grabstätten.
Die Schattenseiten wurden übersehen oder verdrängt. In der unveröffentlichten Kurzgeschichte  Strand der Fischer kommt etwas davon vor:

Den Überfall außerhalb der Mauer hat sie kommen sehen, trotzdem ist sie verdutzt. Halbnackte Männer, dürr und dunkelhäutig, sie schaut nicht genau hin, schaut nur nach unten, immer nur nach unten, versuchen, ihr den Weg zu versperren, breiten ihre bunten flatternden Stoffe im Laufen vor ihr aus, legen sie mit ausholenden Gesten über ihre Arme. Rufen mit Fistelstimmen: “Buy madam, good clothes, good sari, madam!”
Ich hätte in der Touristenburg bleiben sollen, denkt sie, bemerkt, wie sie ihren Schritt verlangsamt. Wie sie sich krampfhaft bemüht, nicht allzu sehr an Tempo zu verlieren. Wie sie ängstlich ihre Tasche an sich presst, dabei weiß sie, dass keiner der sie Bedrängenden sich daran vergreifen würde. Dass diese Männer, die billige Baumwolltücher um die Hüften geschlungen haben, nur ihre Seidenstoffe verkaufen wollen, und sie hat nichts Besseres zu tun als zu laufen und zu laufen, bis sie sie abgeschüttelt hat.

Wegen der Flugscham neuerdings nun die Beschränkung auf Länder, die man mit dem Auto erreichen kann, Italien zum Beispiel.  Auch da der Rausch: die Menschen mit ihrer Sprache, die Gerüche der Pflanzen und Früchte, die flirrende Luft, die Gassen und Dörfer, die Städte mit ihrer Kunst und  ihren Bauten, ihren Kathedralen und Palästen.
Und vor allem das Meer:

Die Vereinigung. Die Vereinigung zur Drittheit. Der Him­mel, das Meer, das Ich. Und das Ich so endlos wie Himmel und Meer, dabei so endlich und winzig, ein Punkt in der Weite und kaum sichtbar oder hörbar, und doch als Großes und Gleiches spürbar.
Die Drittheit zu Einem geworden. Und das Eine austauschbar, aus demselben Stoff. Das Meer aus Himmel gemacht und der Himmel aus Meer, und der Himmel aus meinem Stoff und das Meer aus meinem Stoff, aus meinen Augen, meinem Mund, meinem Körper, meinem Sehnen. 

(aus dem unveröffentlichten Roman Das Tier )

Doch auch der Schnee besitzt eine große Faszination für mich:

Sie stellt die Skier gerade, geht leicht in die Hocke, die Fahrt wird schneller und schneller, Bäume rasen vorbei, ihre Skier fangen an zu flattern, sie bekommt Angst. Wirft sich seitlich in den Schnee, überschlägt sich mehrmals, merkt, wie sie ihre Skier verliert. Benommen sitzt sie im Schnee, tastet sich ab. Der Schnee hat sich in ihre Augenbrauen gefressen, in ihren Nacken, ihre Handschuhe.

(aus dem Roman worttrunken)